Wie Desinformationskampagnen rund um die Propaganda-Organisation „Foundation to Battle Injustice“ versuchen, die Bundestagswahl zu beeinflussen
von Julia Smirnova, Karolin Schwarz und Saman Nazari (Alliance4Europe)
Diese Recherche entstand in Zusammenarbeit zwischen CeMAS und Alliance4Europe im Rahmen von Counter Disinformation Network. Lesen Sie diesen Bericht auf Englisch auf der Website von Alliance4Europe.
Kurz vor der Bundestagswahl wird die verdeckte Storm-1516 Kampagne in Deutschland fortgesetzt. Gleichzeitig verbreitet die „Foundation to Battle Injustice“ Desinformation über deutsche Parteien und Politiker:innen unter dem eigenen Namen.
Die Recherche von CORRECTIV, Newsguard und Gnida Project dokumentierte, dass die russische Desinformationskampagne Storm-1516 Ende des vergangenen Jahres nach dem Bruch der Ampel-Koalition auf Deutschland umschwenkte. Mehr als hundert gefälschte Nachrichtenseiten mit deutschen Namen wurden innerhalb kurzer Zeit registriert.
Typisch für diese Kampagne sind inszenierte oder KI-manipulierte Videos, die auf gefälschten Nachrichtenseiten und über Influencer:innen verbreitet werden. Die Kampagne steht in enger Verbindung mit der russischen Organisation „Foundation to Battle Injustice“ (R-FBI), die von Jewgeni Prigoschin gegründet wurde. Prigoschin war vor seinem Tod im August 2023 in Organisation und Finanzierung von Einflusskampagnen und Propagandaaktivität in Russland sowie im Ausland involviert und gründete die Trollfabrik „Internet Research Agency“.
- Kurz vor der Bundestagswahl wird die verdeckte Storm-1516 Kampagne in Deutschland fortgesetzt. Gleichzeitig verbreitet die „Foundation to Battle Injustice“ Desinformation über deutsche Parteien und Politiker:innen unter dem eigenen Namen.
- Die Verbreitungsmuster in Deutschland verdeutlichen eine enge Verbindung zwischen Storm-1516 und R-FBI, die vorher von der Clemson University im Kontext der US-Wahl beobachtet wurde. Inhalte von Storm-1516 und R-FBI werden zum Teil von denselben deutschsprachigen Influencer:innen verbreitet.
- Beide Kampagnen versuchen insbesondere die CDU und die Grünen zu diskreditieren – mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und anderen Falschbehauptungen.
- Den Kampagnen ist es gelungen, aus der Desinformationsblase herauszubrechen: Auf TikTok bekamen mehrere Videos mit Falschbehauptungen Hunderttausende, und in einem Fall 1,7 Millionen Views. Und Inhalte von R-FBI wurden von AfD-Accounts, u.a. von einem AfD-Bundestagsabgeordneten, auf Facebook, X und Telegram verbreitet.
Narrative
Die erfundenen Behauptungen versuchten zum einen, vor der Wahl Politiker:innen der Grünen und der CDU zu diskreditieren. Als Teil der Storm-1516-Kampagne wurden Missbrauchsvorwürfe gegen Robert Habeck, den Spitzenkandidaten der Grünen, verbreitet. Ein Video von R-FBI verbreitete zudem Missbrauchsvorwürfe gegen den CDU-Spitzenkandidaten Friedrich Merz und die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen. Ein weiterer Desinformationsbericht von R-FBI behauptete, die Grünen und die Ukraine würden in Deutschland Jugendliche und Einwander:innen für Straftaten rekrutieren und der AfD Schuld dafür zuweisen. Zum anderen versuchten die Kampagnen, rassistische und islamfeindliche Stimmungen zu schüren. Als Teil der Storm-1516-Kampagne wurde die Falschbehauptung verbreitet, 1,9 Millionen Arbeiter:innen aus Kenia würden nach Deutschland kommen. In einem anderen Fall wurde fälschlicherweise behauptet, dass eine in Wirklichkeit verschwundene Person von einem Muslim ermordet worden sei. Nachstehend ist eine Übersicht von dokumentierten Falschbehauptungen (1-11) und ein propagandistisches Narrativ (12), die in Deutschland nach dem 1. November 2024 verbreitet wurden (am 6. November 2024 erfolgte der Bruch der Ampel-Koalition). Storm-1516 war auch vor diesem Datum in Deutschland aktiv und verbreitete etwa Falschbehauptungen über die Außenministerin Annalena Baerbock oder die Ukraine. Nach November 2024 wurden die Aktivitäten der Kampagne intensiviert.
Verbreitung über Influencer:innen
Bereits früher wurde von der Clemson University im englischsprachigen Kontext dokumentiert, dass typischerweise ein Netzwerk von denselben Infuencer:innen die Narrative von Storm-1516 und R-FBI in der frühen Phase der Verbreitung postet. Auch im deutschsprachigen Kontext konnten mehrere Accounts identifiziert werden, die die Narrative von beiden Kampagnen sehr früh in der Verbreitungsphase posteten. In einigen Fällen handelt es sich um reale Personen, Infuencer:innen, die Accounts auf mehreren Plattformen betreiben – etwa die pro-russischen Aktivist:innen Alena Dirksen, Jovica Jovic oder Daniel Gugger. In anderen Fällen waren es anonyme Accounts oder Accounts mit Pseudonymen, die jedoch dem Verhalten nach nicht automatisch, sondern manuell betrieben werden – wie „Wika la Loca“ oder „The Billboard Truck“. Die Überschneidung in der Verbreitung der Inhalte von Storm-1516 und R-FBI ist kaum durch Zufall zu erklären, zumal ähnliches Verhalten in anderen Ländern bereits früher dokumentiert wurde. Vor der US-Wahl wurden Fälle dokumentiert, in denen Influencer:innen für die Verbreitung von Strom-1516-Inhalte Geld angeboten wurde. Ob das auch in Deutschland der Fall ist, lässt sich mit Mitteln der digitalen Analyse nicht feststellen.
Die Verbreitung beschränkt sich jedoch nicht auf diese Influencer:innen. Auf X wurden die Inhalte von Storm-1516 und R-FBI auch von anderen Accounts verbreitet, die typischerweise verschwörungsideologische, rechtsextreme und pro-AfD-Inhalte posteten. Im Zeitraum vom 1.Juli 2024 bis zum 11. Februar 2025 wurden auf X Links zu Storm-1516-Domains mit Bezug zu Deutschland 3280 Mal gepostet.
Mehrere Falschbehauptungen wurden auch in anderen Sprachen verbreitet – u.a. auf Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Türkisch, Tschechisch und Polnisch. Das Narrativ 11 mit der Falschbehauptung, Selenskyi habe ein Haus gekauft, das früher Hitler gehört hatte, wurde auf Englisch von Chay Bowes verbreitet, einem irischen Autor, der für den russischen Staatssender RT arbeitet und früher mehrfach Inhalte von Strom-1516 und R-FBI verbreitete.
Virale Videos auf TikTok
Inhalte von Storm-1516 und R-FBI werden nicht nur als Links zu Pseudo-Nachrichtenseiten verbreitet, sondern auch als Videos. Auf TikTok erhielten mehrere Videos der Kampagne eine beachtliche Anzahl von Views. Die Videos wurden von einem Account namens „Jens Menke“ gepostet. Insgesamt postete dieser fünf Videos mit Inhalten von Storm-1516 und R-FBI, vier davon erhielten Hundertausende Views. Die vier viralen Videos erhielten insgesamt 3,9 Millionen Views.
Andere Videos des Accounts – seit November 2024 sind es typischerweise Screengrabs mit Artikeln des russischen Staatsmediums RT DE - haben nur eine geringe Anzahl von Views. Das wirft die Frage auf, ob die Desinformationsvideos von Storm-1516 und R-FBI möglicherweise künstlich amplifiziert wurden.


Verbreitung der R-FBI-Inhalte durch die AfD
In mindestens zwei Fällen wurden Inhalte von R-FBI von AfD-Accounts aufgegriffen und weiterverbreitet. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka verbreitete die Falschbehauptung, dass die Grünen und die Ukraine in Deutschland Jugendliche und Migrant:innen für Straftaten rekrutieren, um damit die AfD zu diskreditieren. Protschka postete die Falschbehauptung auf Facebook, X und Telegram. Sein Post auf Facebook wurde 230 Mal geteilt (Stand: 9.2.2025), u.a. von Facebook-Seiten der AfD-Kreisverbände in Hassberge, Rhön-Grabfeld und Weserbergland. Auf X bekam sein Post 5,4K Views und wurde 201 Mal repostet, sein Telegram-Post erhielt 498 Views (Stand: 9.2.2025).

In einem weiteren Fall verbreitet der X-Account von AfD-Bezirksfraktion in Hamburg-Mitte ein Video von R-FBI, das deutsche Wähler:innen dazu aufrief, am Wahltag daran zu denken, dass Deutschland unter der jetzigen Regierung finanzielle und militärische Hilfe der Ukraine leistete, angeblich zum Nachteil der deutschen Bürger:innen. Der Post bekam 391 Views (Stand: 9.2.2025).
Verbreitung der Storm-1516 Links auf Telegram
Auf Telegram wurden Links zu den Domains von Storm-1516 in deutschsprachigen rechtsextremen und verschwörungsideologischen Kanälen und Gruppen verbreitet. Im Zeitraum vom 4. Juli 2024 bis zum 23. Januar 2025 wurden Links zu den bekannten Storm-1516 Domains mit Bezug zu Deutschland 692 Mal in insgesamt 395 Kanälen und Gruppen gepostet. Die Nachrichten in den Kanälen bekamen insgesamt 4,7 Millionen Views. Am häufigsten wurde der Link zum Artikel mit dem falschen Missbrauchsvorwurf an Habeck geteilt – 228 Mal in 114 Kanälen und Gruppen.
Fazit
Die Kampagnen mit Verbindung zur „Foundation to Battle Injustice“ verbreiten vor der Bundestagswahl in Deutschland Desinformation und versuchen, Politiker:innen der demokratischen Parteien zu diskreditieren sowie rassistischen Hass zu schüren. Die Inhalte der Kampagnen werden von deutschsprachigen Influencer:innen verbreitet und von Accounts der AfD aufgegriffen, und so einem größeren Publikum zugeführt. Social-Media-Plattformen müssen die Verbreitung dieser Inhalte insbesondere vor der Wahl eindämmen – beispielsweise durch Verfolgung von Domains, die für die Kampagne verwendet werden. Staatliche Stellen für Analyse und Monitoring von ausländischen Einflusskampagnen müssen insbesondere in der Zeit unmittelbar um den Wahltag diese Kampagnen verfolgen, aufdecken und rechtliche Schritte zu ihrer Eindämmung überprüfen.