Welche Art von falschen und irreführenden Informationen werden rund um Wahlen verbreitet?

von Julia Smirnova

Rund um Wahlen werden regelmäßig Gerüchte und Falschinformationen verbreitet. Hier fassen wir die Narrative zusammen, die am häufigsten auftreten.

Während des Wahlkampfes, unmittelbar am Wahltag und während der Auszählung werden in sozialen Medien regelmäßig Gerüchte, falsche und irreführende Informationen verbreitet. In extremen Fällen können solche Falschinformationen zu Gewalt gegen Wahlhelfer:innen und Amtsträger:innen führen. Inhalte dieser Art haben auch das Potenzial, das Vertrauen in demokratische Prozesse langfristig zu untergraben, insbesondere wenn sie in bestimmten Gruppen dauerhaft wiederholt werden. Dieser Überblick über die zentralen falschen und irreführenden Narrative, die regelmäßig rund um Wahlen auftreten, soll Journalist:innen, Mitarbeitenden von Wahllokalen und der breiten Öffentlichkeit dabei helfen, sich auf mögliche Verbreitung von Falschinformationen vor der Bundestagswahl vorzubereiten.

Falschinformationen über Wahlprozesse

Falschbehauptungen über angeblichen Wahlbetrug, Wahlmanipulationen oder eine „gestohlene Wahl“ werden derzeit regelmäßig rund um Wahlen gestreut. In den USA mobilisierten solche Desinformationen bei der Präsidentschaftswahl 2020 Anhänger:innen von Donald Trump zum Sturm auf das US-Kapitol. Laut dem Faktenchecker-Netwerk EDMO wurden 2023 bei jeder Wahl der nationalen Ebene in Europa Falschinformationen über Wahlprozesse verbreitet. Auch in Deutschland kursierten rund um die Bundestagswahl 2021 Falschbehauptungen über angeblichen Wahlbetrug.

Häufig werden in solchen Posts angebliche Beweise für Wahlfälschungen präsentiert – Video- oder Audioaufnahmen und Bilder. Diese sind jedoch fabriziert oder manipuliert, aus dem Kontext gerissen und falsch interpretiert. Auch echte Unregelmäßigkeiten bei Wahlen werden aufgegriffen, ihre Wirkung auf den Ausgang wird jedoch übertrieben, oder bei Fehlern wird suggeriert, diese seien Ergebnisse einer vorsätzlichen Verschwörung zur Wahlmanipulation.

Zweifel an Integrität der Briefwahl

Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 warnte die AfD vor der Briefwahl. Vertreter:innen der Partei verbreiteten unbegründete Behauptungen, die Briefwahl wäre intransparent oder manipulierbar. Auch nach der Landtagswahl in Brandenburg im vergangenen Jahr suggerierten AfD-Politiker:innen und rechte Alternativmedien eine Wahlmanipulation zu Ungunsten der AfD durch Briefwahl. Eine Diskrepanz zwischen Briefwahl- und Urnenergebnissen der AfD wurde als Beleg für Unregelmäßigkeiten interpretiert. In Wirklichkeit traten ähnliche Diskrepanzen bei AfD-Ergebnisse auch bei anderen Wahlen auf und stellen keinen Beweis für Wahlbetrug dar.

Falschinformationen über Wahlurnen oder Stimmzettel

Regelmäßig werden vor Wahlen irreführende Behauptungen verbreitet, Wahlbetrug sei möglich, weil Wahlurnen leicht aufzubrechen wären. Außerdem wird fälschlicherweise behauptet, die Wahlurnen müssten versiegelt sein. In Wirklichkeit müssen die Urnen verschließbar, aber nicht unbedingt versiegelt sein. Um Wahlbetrug zu verhindern, dürfen sie nie unbeobachtet bleiben.

Weitere wiederkehrende Falschbehauptungen betreffen Stimmzettel. Zum einen kursieren vor Wahlen Gerüchte, Stimmzettel müssten unterschrieben sein – in Wirklichkeit würde sie dies aber ungültig machen. Zum anderen vor Wahlen wird immer wieder fälschlicherweise behauptet, Stimmzettel mit einer abgeschnittenen Ecke oder einem Loch wären ungültig – tatsächlich dient aber eine gelochte oder abgeschnittene Ecke als Hilfe für Wähler:innen mit Sehbehinderungen.

Angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung

Vor und während der Stimmabgabe werden Falschbehauptungen über angebliche mehrfache Abstimmung oder Abstimmung durch Migrant:innen ohne Staatsbürgerschaft verbreitet. Vor der US-Wahl 2024 kursierte online ein Video, das behauptete, Männer aus Haiti seien in die US eingereist, um mehrfach für Kamala Harris abzustimmen. Die US-Sicherheitsbehörden identifizierten dieses Videos als Teil einer russischen Desinformationskampagne mit dem Ziel, die Integrität der Wahl zu untergraben.

Falsche Aussagen über Auszählung von Stimmen

Am Wahltag und unmittelbar danach kursieren häufig Falschbehauptungen über angebliche Fälschungen bei der Auszählung. Dazu gehören Behauptungen, dass ausgefüllte Stimmzettel vernichtet werden, die mit aus dem Kontext gerissenen Bildern belegt werden. Darüber hinaus wird Wahlhelfer:innen vorgeworfen, voreingenommen zu sein und aus politischen Überzeugungen die Stimmen unkorrekt auszuzählen.

Falschinformationen über Politiker:innen

Vor Wahlen werden typischerweise Falschinformationen über Kandidat:innen, ihre politischen Positionen und Versprechen verbreitet. Vor der Bundestagswahl 2021 wurde insbesondere die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, online mit Falschinformationen angegriffen, ihr wurden erfundene Zitate und Positionen zugeschrieben, beispielsweise eine Angebliche Forderung nach einem Haustierverbot aus Klimaschutzgründen. Im aktuellen Wahlkampf werden bereits falsche und irreführende Zitate von Friedrich Merz, Saskia Esken oder Winfried Kretschmann verbreitet.

Falschinformationen über Sachverhalte

Zentrale Wahlkampfthemen und politische Diskussionen werden zu Zielen von Desinformationskampagnen. Laut EDMO wurden rund um Wahlen in Europa 2023 Falschinformationen vor allem über wirtschaftliche Themen wie Besteuerung, Inflation oder Energiekrise verbreitet. Politische Allianzen, Sicherheit und Verteidigung und der russische Angriff auf die Ukraine waren ebenfalls Themen, zu denen zahlreiche falschen Behauptungen kursierten – sie stehen im Mittelpunkt russischer Einflusskampagnen in Europa. Weitere Themen wie Klimawandel, Migration oder LGBTQ+ Rechte sind traditionell ebenfalls im Visier von Desinformationsakteuren und werden vor Wahlen aufgegriffen.

Während des Wahlkampfes wird CeMAS die aktuellen Desinformationskampagnen monitoren und die aktuellen Erkenntnisse auf dieser Website veröffentlichen. Die Faktenchecker von Correctiv, BR, dpa, Mimikama und ARD-Faktenfinder veröffentlichen aktuelle Überprüfungen von Gerüchten und Falschinformationen aus dem deutschsprachigen Raum. Auf der Seite von Correctiv finden Nutzer:innen außerdem praktische Tipps zur Erkennung von Falschmeldungen und Manipulationstechniken.

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