Extrem rechter Verein Ein Prozent: Aufruf zur Wahlbeobachtung, Kampagne gegen Die Linke
von Jan Rathje
Der Verein Ein Prozent ist eine extrem rechte Lobbyorganisation der „Neuen Rechten“, die sich seit ihrer Gründung 2015/2016 für völkische Positionen und besonders gegen Migration einsetzt. Zu ihren Mitteln gehört die Vernetzung von Aktivist:innen, deren Schulung, die Videodokumentation von Protesten für Social Media, finanzielle Unterstützung von Projekten und bei Gerichtskosten sowie die Produktion und Verbreitung von Propagandamitteln.
Neben der Unterstützung von Aktivismus im Vorfeld spielen Wahlen für die Organisation eine zentrale Rolle. Obwohl sie in verschiedenen Beiträgen ihre parteipolitische Neutralität bekunden, begreifen sich die Mitglieder von Ein Prozent als Teil des Vorfelds der AfD, deren Wahl sie auf verschiedene Art unterstützen, da sie sich von ihr die Umsetzung ihrer extrem rechten Migrationspolitik erhoffen.
Aktivitäten seit 2016
Bereits während der Gründungszeit, im Februar 2016, noch vor der Eintragung ins Vereinsregister, teilte Ein Prozent ein Video des „neurechten“ Intellektuellen Götz Kubitschek auf ihrer Webseite, in dem er sich gegen Migration nach Europa positionierte und vor Wahlbetrug bei den im März anstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz warnte. Dies war Verbunden mit dem Aufruf, sich als Wahlbeobachter:in bei der Organisation zu registrieren. Sie würde die Personen anschließend einem Wahllokal in der Nähe zuteilen und Berichte der Wahlbeobachter:innen auswerten. Dazu wurde ein Schulungsvideo verbreitet, in dem erste Anweisungen vorgestellt wurden, wie etwa das Dokumentieren der Anzahl der abgegebenen gültigen Gesamtstimmen und der Stimmen der AfD. An der Beobachtung im März 2016 sollen sich nach Angaben der Organisation 3.000 Menschen beteiligt haben. Ein Prozent gab darüber hinaus an, einen Fall von „Wahlbetrug“ in Sachsen-Anhalt aufgedeckt zu haben. Nach einer Neuauszählung der Stimmen, die durch Übertragungsfehler notwendig geworden waren, verlor die Linke einen Sitz im Landtag und die AfD gewann einen hinzu.
Wahlbeobachtung auch zur Bundestagswahl 2025
Ein Prozent hat die Wahlbeobachtung seit 2016 weiter ausgebaut und professionalisiert. Dazu wurde 2017 eine eigene Webseite sowie ein zweiseitiger Leitfaden für die Beobachtung mit Check-Boxen erstellt. Seither verfolgt Ein Prozent nicht nur das Ziel, Wahlbeobachter:innen zu koordinieren, sondern wirbt auch dafür, sich als Wahlhelfer:innen zu betätigen, um an den Abstimmungen über mögliche ungültige Stimmen beteiligt zu sein und Wähler:innenstimmen zu „retten“.
Mit der Wahlbeobachtungskampagne sind verschiedene Narrative verbunden, die das Vertrauen in demokratische Prozesse der Bundesrepublik Deutschland untergraben und das Zutrauen in die eigene Organisation stärken sollen. Bereits das Kernanliegen der Aufstellung von Wahlbeobachter:innen unterstellt, dass in der Bundesrepublik Deutschland – trotz einer Beobachtung der Wahlen, etwa durch die OSZE – die Wahlen unsicher seien und eine gesonderte Beobachtungskoordination durch den extrem rechten Verein notwendig sei.
Die pauschalen expliziten und impliziten Vorwürfe des Wahlbetrugs zuungunsten der AfD werden regelmäßig mit dem Hinweis gestützt, dass in Altenheimen und bei der Briefwahl – häufig zugunsten der CDU – betrogen werden könne. Dabei werden dann reelle Einzelfälle mit dem Verweis auf beständige Hinweise aus dem eigenen Beobachter:innenpool vermengt und so der Eindruck eines dringlichen Problems erzeugt. Gleichzeitig präsentiert sich Ein Prozent mit seiner Wahlbeobachtungskampagne als Schutzmacht des demokratischen Willensbildungsprozesses der Wahl.
Kampagne gegen Einzug von "Die Linke" in den Bundestag
Neben der Wahlbeobachtung regt Ein Prozent eine „gut koordinierte Kampagne von Partei und Vorfeld“ während der Bundestagswahl 2025 an. Ziel soll es sein, die AfD indirekt zu stärken, indem ein erneuter Einzug der Partei Die Linke in den Bundestag über die Grundmandatsklausel verhindert werden solle. Diese besagt, dass Parteien innerhalb des Bundestages Sitze trotz eines Scheiterns an der 5%-Hürde erringen können, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen.
Ein Prozent wirbt für die strategische Aufstellung oder Nichtaufstellung von „ohnehin erfolglosen“ AfD-Direktkandidat:innen, um in den für die Linke relevanten Wahlbezirken Gegenkandidat:innen, etwa von der CDU, zu stärken. Diese Strategie scheiterte allerdings bereits während der Landtagswahl in Sachsen 2024. Es bleibt abzuwarten, ob es zu einer erfolgreichen Koordination von Partei und Vorfeld zur Bundestagswahl kommt.
Fazit
Das Recht auf Wahlbeobachtung ist ein wichtiges Instrument, um Wahlen vor Manipulationen zu schützen, auch in der Bundesrepublik Deutschland. Wahlbeobachter aus dem Pool von Ein Prozent sind jedoch während vergangener Wahlen bereits durch Störungen aufgefallen, die anschließend vom Verein falscherweise als Rechtsbrüche dargestellt wurden. Auch bei der Bundestagswahl 2025 werden durch den extrem rechten Verein geschulte und koordinierte Wahlbeobachter:innen zum Einsatz kommen. Das damit verbundene Störungspotenzial sollten Wahlleitungen berücksichtigen. Darüber hinaus kann ebenfalls mit der Verbreitung von Falschinformationen und Gerüchten über mutmaßliche Wahlmanipulationen durch die Wahlberichterstattung von Ein Prozent am Wahltag gerechnet werden, wie es bereits in der Vergangenheit der Fall war. Hier bieten inzwischen Fact-Checking-Seiten eine Möglichkeit, schnell Informationen über den Wahrheitsgehalt entsprechender Inhalte zu erlangen.