Elon Musk und die extreme Rechte in Deutschland auf X (I): Interaktionen mit der AfD
von Jan Rathje und Leonard Tiedemann
Seit Elon Musk Ende 2024 begann, den Wahlkampf Donald Trumps zu unterstützen, wird in der Öffentlichkeit verstärkt über die politische Macht von Tech-Milliardären diskutiert. Die Verbreitung extrem rechter Inhalte auf seiner Plattform X bezeugen, wie Musk diesen Einstellungen Öffentlichkeit verlieh und weiterhin verleiht. Wie eine Analyse der Posts Musks auf Twitter/X des Wall Street Journals feststellt, begann er spätestens im Frühjahr 2020 extrem rechte Inhalte zu posten.
Bezüge zu Deutschland sind bisher seit Ende September 2023 dokumentiert. Zu dieser Zeit teilte Musk einen rassistischen Post, in dem eine damals nicht existente, mutmaßliche staatliche Förderung ziviler Seenotrettung Deutschlands von Geflüchteten im Mittelmeer skandalisiert und die Wahl der AfD beworben wurde. Der Post erzielte durch Musks Verstärkung eine große Anzahl an Views, auch aus Deutschland. Beatrix von Storchs Account teilte Musks Post, Alice Weidels Account antwortete darauf. Am gleichen Tag zitierte ein Account des Auswärtige Amts Musks Post und schrieb, dies sei Lebensrettung zu nennen. In einer Antwort schrieb Musk, Seenotrettung mit deutscher Unterstützung würde die Souveränität Italiens bedrohen und sich wie eine „Invasion“ anfühlen, womit er weitere extrem rechte Talkingpoints aufgriff.
Interaktionen der AfD und Elon Musks auf X
Nun versucht Musk in Deutschland Einfluss auf anstehende Wahlen zu nehmen. Ende 2024 gab er nicht nur eine Wahlempfehlung für die AfD ab, sondern führte auch mit deren Spitzenkandidatin Alice Weidel zu Beginn des Bundestagswahlkampfes am 9. Januar 2025 ein Gespräch auf seiner Plattform X. Diese Analyse geht der Frage nach, wie es zu dieser Annäherung zwischen Musk und der AfD auf seiner Plattform kommen konnte. Um Interaktionen zwischen Musk und der AfD systematisch zu betrachten, wurde die direkten Interaktionen zwischen Elon Musks und 154 Accounts von AfD-Parlamentarier:innen in Europaparlament, Bundestag und den Landesparlamenten auf Twitter/X innerhalb des Zeitraums vom 15. Oktober 2023 bis 17. Januar 2025 analysiert. Als direkte Interaktionen verstanden, werden Reposts, Antworten und Zitate der Beiträge welche von Musks Account @elonmusk geteilt worden sind, sowie initiale Posts welche diesen explizit nennen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass innerhalb des Analysezeitrausm 92 der 154 beobachteten AfD Accounts direkt mit dem Account von Elon Musk interagieren. Die Verteilung der Arten an direkten Interaktionen von AfD-Abgeordneten mit Elon Musk zeigt auf, dass diese mehrheitlich aus Reposts von Musks Beiträgen bestehen. Bei 729 der 1.110 untersuchten Posts der AfD-Accounts handelt es sich um diese Art der Interaktion. Es zeigt sich, dass ein Großteil der untersuchten Daten niedrigschwellige Weiterverbreitungen der von Musk geäußerten Positionen handelt, über welche Unterstützung ausgedrückt werden. Das restliche Drittel bilden zu ungefähr gleichen Anteilen Zitate (133), Posts, die @elonmusk enthalten (128), und Antworten (120). Nur in den wenigsten Fällen wenden sich die Parlamentarier:innen mit eigenen Inhalten direkt an Musk.
Der zeitliche Verlauf der Interaktionen von AfD-Politiker:innen mit Musk auf X zeigt auf, dass gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber Musk seit Beginn der Datenerhebung immer wieder situativ durch öffentliche Äußerungen von Musk selbst hervorgerufen worden ist. Seit Mitte vergangenen Jahres und besonders seit Musks öffentlicher Unterstützung Trumps im US-Wahlkampf nehmen solche Ereignisse zu und führen zu konstant gestiegener Anzahl an direkten Interaktionen mit Musk von AfD-Abgeordneten auf X.
Ein erster Aufmerksamkeitspeak findet sich, nachdem Musk, als Reaktion auf den Post eines US-amerikanischen, reichweitenstarken, rechten X-Accounts, Unverständnis über die Verurteilung der AfD-Politikerin Marie-Thérèse Kaiser wegen eines rassistischen Facebook-Postings geäußert hatte. Etwa einen Monat später, am 6. Juni, äußert Musk in einer Antwort auf einen AfD unterstützenden Post zum ersten Mal explizit, dass er die Positionen der AfD nicht als extrem ansehen würde. Weitere exemplarische Momente erhöhten Interaktionsaufkommens durch AfD-Politiker:innen mit Musk zeigten sich, nachdem Musk erst den SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz und wenige Tage später den Co-Parteivorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, als „Narr“ bezeichnete. Solche Ereignisse gesteigerter Aufmerksamkeit auf Musk haben im Laufe des vergangenen Jahres zugenommen und finden ihren Höhepunkt vor Jahresende, nachdem Musk gepostet hatte, „nur die AfD kann Deutschland retten“. Die durchschnittliche Anzahl an Interaktionen mit Musk durch AfD-Politiker:innen findet ihren bisherigen Höhepunkt im Januar dieses Jahres, hervorgerufen durch dessen Gespräch mit Alice Weidel auf seiner Plattform X.
Wenig direkte Interaktionen Musks mit AfD-Politiker:innen auf X
Während die gesteigerte Aufmerksamkeit durch AfD-Politiker:innen auf Elon Musk zwar durch dessen Äußerungen erklärbar scheint, zeigt die Untersuchung der direkten Interaktionen von Musk an AfD-Akteur:innen, dass dieser nur in wenigen Postings direkt mit jenen interagiert hat. Das erste Ereignis dieser Art im untersuchten Datensatz ist eine Antwort Musks auf einen auf Englisch verfassten Post von Björn Höcke.
Hierbei handelt es sich um mehrere Nachfragen Musks zu Höckes Äußerungen, welcher im Ausgangspost behauptet, Deutschland würde die Redefreiheit juristisch unterdrücken, nachdem er wegen der öffentlichen Äußerung einer verbotenen SA-Parole wegen Volksverhetzungsverdachts vor Gericht erscheinen sollte.
Alle weiteren Interaktionen Musks mit AfD-Politiker:innen stammen aus dem Zeitraum nach dessen Unterstützungspost für die AfD ab dem 20. Dezember 2024. Mit Ausnahme einer weiteren Antwort an eine AfD-Europa-Abgeordnete, bestehend aus einem einzelnen Emoji, richten sich alle weiteren direkten Interaktionen an Alice Weidel. Sechs der zehn Interaktionen sind einfache Reposts, die anderen Zitate und eine Antwort. Inhaltlich handelt es sich bei den Interaktionen großteilig um Ankündigungen und direkte Reaktionen auf das gemeinsame Gespräch Anfang Januar 2025. Eine Ausnahme hierzu stellt das Repost eines deutschsprachigen Weidel-Posts dar, in welchem diese behauptet, die CDU würde Geheimdienste und Verfassungsschutz nutzen, um freie Meinungsäußerungen zu zensieren.
Fazit
Hinwendungen an Musk durch Accounts von AfD-Politiker:innen sind mehrheitlich hervorgerufen durch einzelne Ereignisse, in welchen Musk sich direkt auf die AfD- und andere deutsche Politiker:innen bezieht. Nur in Ausnahmefällen setzen sie Themen, auf welche Musk reagiert. Es lässt sich feststellen, dass Beiträge von AfD-Politiker:innen, die sich direkt mit @elonmusk innerhalb des Posts an Elon Musk richten, keine Reaktion seines Accounts hervorrufen. Auffallend hierbei ist die Antwort auf einen nicht an ihn adressierten Beitrag Björn Höckes, als erste direkte Interaktion. Darüber hinaus kann die Häufung von Reposts als Versuch von AfD-Politiker:innen interpretiert werden, den geteilten Positionen gegenüber den eigenen Follower:innen durch Musks Person und dessen Prominenz als Unternehmer zu legitimieren und Gewicht zu verleihen.
Nicht erklären lässt sich, warum Musk plötzlich mit Björn Höcke interagiert. Ebenso bleibt eine Antwort auf die Frage offen, wie Musk auf die AfD aufmerksam wurde und welche weiteren Interaktionen mit deren Vorfeld bestehen.
Diesen Fragen gehen wir in einer folgenden Analyse nach.