Engagierte unter Druck: Rechtsextreme Bedrohungen gegen die Demokratie
von Pia Lamberty
Eine Demokratie ist auf Menschen angewiesen, die sie mit Leben füllen.
Digitale Bedrohungen von Engagierten
Politisch engagierte Menschen berichten schon lange davon, wie sehr sie Anfeindungen im Netz erleben. Eine neue Erhebung der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit der Organisation HateAid, bei der 1.114 Personen online befragt wurden, beschäftigte sich eingehend mit der Frage wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Die Daten zeigen noch einmal, dass insbesondere politisch Engagierte besonders stark von Anfeindungen im Netz betroffen sind. Mehr als die Hälfte (58%) der befragten politisch Engagierten berichtete über Erfahrungen von digitaler Gewalt – die aber nicht nur dort verbleibt. Für demokratisch engagierte Menschen bedeuten solche Bedrohungen nicht nur psychische Belastungen, sondern können sich auch direkt auf die analoge Sicherheitslage auswirken. „Politisch Engagierte, die schon einmal digitale Gewalt erlebt haben, berichteten auch häufiger von Gewalt im analogen Raum (71 %) als nicht von digitaler Gewalt Betroffene (47 %)“, schreiben die Studienautor:innen dazu.
Die Entscheidungen von Plattformen wie X und Meta, die Content-Moderation systematisch zurückzufahren und damit auch wieder mehr abwertende und falsche Inhalte zuzulassen, kann ein weiterer Gefahrenpunkt für Engagierte werden. Die Entscheidungen von X führten ebenfalls dazu, dass die Sperren bekannter rechtextremer Accounts aufgehoben wurden und generell radikale Akteur:innen freier agieren können.
Zunehmender Druck im analogen Raum
Nicht nur im digitalen Raum erleben demokratisch Engagierte, wie der Druck auf sie zunimmt. Mit der zunehmenden Normalisierung des Rechtsextremismus erlebt die demokratische Zivilgesellschaft auch einen Anstieg an Drohungen und Gewalt bei gleichzeitig immer größer werdender Verunsicherung über Weiterfinanzierungen und psychische Belastungen über die Herausforderungen der Gegenwart.
Dies zeigt sich beispielsweise direkt in den Mobilisierungen gegen Pride-Veranstaltungen im letzten Jahr. Im Zeitraum von Juni bis September 2024 verzeichnete CeMAS in deutschen 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen Christopher Street Day (CSD)-Veranstaltungen. Diese jüngste Welle von Anti-CSD-Demonstrationen in ganz Deutschland markiert einen Wandel in der Neonazi-Szene hierzulande. Die Neonazis dieser neuen Generation, von denen viele zu Gruppen gehören, die erst in den letzten Monaten durch ihre Teilnahme an Anti-CSD-Demonstrationen an Zugkraft gewonnen haben, sind zunehmend jung, online und in ihrer Rhetorik stärker auf Gewalt ausgerichtet als andere rechtsextreme Gruppen. Ihre Präsenz und Mobilisierung gegen queere Veranstaltungen verschärft – insbesondere in Anbetracht zunehmend anti-queerer Rhetorik außerhalb der extremen Rechten – die Sicherheitslage für Engagierte vor Ort.
Auch durch Politiker:innen der Alternative für Deutschland (AfD) kam es bereits wiederholt zu Einschüchterungen gegen Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen. Der Jüterboger Bürgermeister Arne Raue (AfD) ging beispielsweise in einem privaten Video, das nach Silvester 2024 veröffentlichte wurde, auf YouTube die ehrenamtliche Initiative „Gemeinsam in Jüterbog“ verbal massiv an. Die Brandenburger AfD-Politikerin Lena Kotré rief 2024 auf Facebook dazu auf, dass „dubiose linke Projekte oder eine Antifa-Absteige […] anonym und verschlüsselt“ gemeldet werden könnten. „Linke Radikale sollen sich in Brandenburg nirgendwo mehr sicher fühlen – und Ihr könnt dazu beitragen“, schrieb sie in dem Beitrag. Bereits 2019 schaltete die Partei ein Meldeportal gegen vermeintliche „Linksextreme“ frei. Auch Lehrkräfte, die sich gegen die rechtsextreme Partei positionieren, waren wiederholt im Fokus.
Während in den Großstädten politisch Aktive noch stärker durch die Anonymität geschützt werden, sieht das in ländlicheren Regionen anders aus. Menschen sind dort oft ehrenamtlich mit Namen und Gesicht aktiv für die Demokratie und setzen sich – aber teilweise auch ihrem nahen Umfeld – damit immer mehr auch Gefahren für Leib und Leben aus.
Demokratisches Engagement nachhaltig schützen
Insbesondere nach dem gewalttätigen Angriff 2024 auf den SPD-Politiker Matthias Ecke kam es gesellschaftlich und politisch zu breiteren Debatten zum Schutz von demokratisch Engagierten. Wichtigerweise ging es in diesen Debatten oft um den Schutz von Politiker:innen – allerdings sind sie nicht die einzigen, die oft in den Fokus geraten. Insbesondere Aktivist:innen und demokratisch engagierte sowie marginalisierte Menschen erleben den Rechtsruck direkt in ihrem Alltag. Die Bedrohungslage nimmt zu, gleichzeitig erleben viele auch die Gegenwart als besonders belastend. Wenn diese Menschen sich zurückziehen, langfristig, würde das der Demokratie noch zusätzlich schaden.
Auch jetzt im Wahlkampf vor der Bundestagwahl 2025 sind es oft genug die Wahlhelfenden, die Opfer von Beleidigungen und körperlichen Attacken werden. Seit Dezember 2024 gab es mindestens dreizehn medial berichtete Übergriffe mit physischer Gewalt, mit Schlägen und Tritten, Böllern und Eierwürfen, Bedrohung und verfassungsfeindlichen Parolen auf Wahlhelfer:innen von Jugendlichen bis zu Senior:innen. Die nicht veröffentliche Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Fünf Angriffe erfuhren Wahlhelfer:innen der Linken, drei galten SPD-Wahlhelfer:innen, zwei betrafen die Grünen, einer die CDU und zwei auch die AfD. Dabei ist es diesen engagierten Privatpersonen zu verdanken, dass sich Menschen überhaupt über Plakate im öffentlichen Raum über Parteipositionen informieren können.
Politisch ist es daher wichtig, den Schutz der demokratischen Zivilgesellschaft stärker in den Fokus rückt. Auch medial erhalten die Menschen, sie sich trotz aller Gefahren vor Ort für die Demokratie einsetzen, wenig Aufmerksamkeit. Die Demokratie steht und fällt mit den Menschen, die sich für sie einsetzen. Gerade deswegen brauchen diese Menschen jetzt besondere Solidarität.