Russische Desinformation vor der Bundestagswahl: Doppelgänger-Kampagne macht Stimmung gegen Parteien

von Lea Frühwirth

Die russische Desinformationskampagne Doppelgänger war auch über den Jahreswechsel 2024/25 weiterhin aktiv. Für den Zeitraum vom 17. Dezember 2024 bis zum 14. Januar 2025 konnten auf X insgesamt 630 deutschsprachige Posts mit typischen Doppelgänger-Mustern dokumentiert werden. Die Beiträge verbreiteten Links zu Doppelgänger-Webseiten oder echten Artikeln authentischer Medien, sowie Bilder bzw. Videos ohne weitere Verlinkung. Die drei Muster wurden über die Doppelgänger-typische Amplifikationsstrategie via Reply-Shares verbreitet, ihre Veröffentlichungszeiten tragen deutliche Hinweise auf Koordination. Laut Metriken der Plattform erreichten die Beiträge bis zum 15. Januar 2025 insgesamt über 2,8 Millionen Ansichten. Aufgrund der Beschaffenheit dieser Metrik ist diese Zahl als grobe Orientierung zu betrachten, etwa aufgrund der künstlichen Verbreitung der Beiträge durch die Kampagne selbst. Zu den 630 Beiträgen konnten nur vereinzelte Antworten augenscheinlich unbeteiligter Accounts verzeichnet werden, die außerdem überwiegend kritisch ausfielen.

DG X Wirtschaft
Beitrag eines zu "Doppelgänger" gehörigen Accounts
DG X dilemma
Beitrag eines zu "Doppelgänger" gehörigen Accounts

Thematisch schürten die Beiträge Sorgen zu Energie und Wirtschaft und streuten spalterische Aussagen zur Ukraine und deren Unterstützung, sowie den USA. Deutsche Parteien und ihre Vertreter:innen wurden unterschiedlich besprochen. Negative Einordnungen erfolgten zu den Grünen (59), Olaf Scholz (20) und der CDU (20). Die Grünen wurden vor allem für wirtschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, Olaf Scholz für Unterstützungleistungen für die Ukraine kritisiert. Beiträge zur CDU stellten diese als nicht vertrauenswürdig dar. Die AfD wurde vier Mal positiv erwähnt – darunter zweimal mit Tippfehler: Statt AfD wurde die russische Abkürzung ADG („Alternatiwa Dlja Germanii) genutzt.

DG X ADG
Beitrag eines zu Doppelgänger gehörigen Accounts.
DG X Merz
Beispiel eines zu Doppelgänger gehörigen Accounts

Während 79 Posts nur auf Bildmaterial setzten und keinen Link enthielten, verwiesen 63 Beiträge auf authentische Artikel von existierenden Medien wie Focus, Spiegel, Welt oder Handelsblatt, die sich vor allem wirtschaftlichen Problemlagen widmeten. Es ist anzunehmen, dass diese Artikel im Sinne des Kampagnenziels instrumentalisiert wurden, da sie ins Narrativ passten. 488 weitere Beiträge enthielten typische Front-Links nach Doppelgängermuster. Dieses wird durch die Kampagne genutzt, um Inhalte veröffentlichen zu können und diese vor Löschungen durch die Plattformen zu schützen. Gepostet werden variierende Front-Links, die über Zwischenstopps zum Zielartikel führen. Da diese Linkweiterleitung bei 88% der 488 so gestalteten Beiträge fehlschlug, konnten die Zielartikel nicht vollständig nachvollzogen werden. Allerdings erlauben die in den Front-Links inzwischen enthaltenen Artikeltitel den Rückschluss, dass von den hier erfassten Postings 72 gefälschte deutsche Artikel verbreitet wurden. Die unterbrochene Weiterleitung kann dabei sowohl auf eine Störung des Betriebs, als auch auf eine bewusste Verschleierungstaktik zurückzuführen sein. Funktionierende Links führten zu den für die Kampagne typischen Artikelfälschungen in der plagiierten Optik etablierter deutscher Medien: 

DG Artikel Spiegel
Beispiel eines gefälschten Artikels in der Optik des "Spiegels"
DG URL Welt
Beispiel eines gefälschten Beitrags in der Optik von "Welt"

Im Herbst 2024 hatten Recherchen von Qurium und Correctiv Faktencheck zur vorrübergehenden Störung der Linkweiterleitung der Kampagne geführt. Ab Ende November 2024 konnten erneut funktionale Weiterleitungen beobachtet werden. Erwartungsgemäß hatte sich die für Anpassungsfähigkeit bekannte russische Desinformationskampagne erneut angepasst. Da dieser illegitime Einflussversuch auf die Destabilisierung der deutschen Gesellschaft abzielt, gilt auch weiterhin: Doppelgänger muss unterbunden werden. Bisherige Gegenmaßnahmen zeigen, was möglich ist.

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