Doppelgänger gegen Merz: Desinformationskampagne verstärkt Stimmungsmache auf X

von Lea Frühwirth

In den letzten Wochen zeichnete sich bei der russischen Desinformationskampagne Doppelgänger auf X eine verstärkte Stimmungsmache gegen die CDU und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ab. Für den Zeitraum zwischen dem 27. Dezember 2024 und dem 2. Februar 2025 konnten 119 entsprechende Doppelgänger-Beiträge auf X dokumentiert werden.

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Screenshot eines Kampagnenbeitrags auf X
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Screenshot eines Kampagnenbeitrags auf X

Diese erzielten laut X-Daten bis zum 3. Februar 2025 insgesamt über 522.000 Views, wobei diese Metrik als grobe Orientierung zu interpretieren ist. Der Zeitverlauf der Veröffentlichungen verdeutlicht den Anstieg des Themenschwerpunkts, mit auffälliger Häufung Ende Januar 2025:

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Doppelgänger-Beiträge zu Friedrich Merz und CDU im Zeitverlauf

Meinungsmanipulation zu Merz und CDU mittels verschiedener Angriffswinkel

Alle Beiträge zu Merz oder CDU waren negativ gehalten, formulierten ihre Kritik aber über verschiedene Argumentationswinkel. So wurde Kanzlerkandidat Merz unterstellt, wirtschaftsnah zu sein (19) und deshalb verschiedene Aspekte sozialer Sicherheit zu gefährden (29), etwa bezüglich des Renten- oder Gesundheitssystems. Außerdem wurde Merz‘ politischer Stil kritisiert (26), etwa indem ihm Unsicherheit, Desinteresse oder ein schwacher bzw. autoritärer Führungsstil vorgeworfen wurde. Sowohl der CDU als teils auch Merz wurden mangelnde Innovations- oder Zukunftsfähigkeit (15), politisches Versagen in der Vergangenheit (10) sowie mangelnde Vertrauenswürdigkeit unterstellt (7).

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Aufstellung der fünf häufigsten Narrative

Doppelgänger springt auf Debatte zu Abstimmungsverhalten auf

Am 28. Januar 2025 veröffentlichte die Kampagne acht Beiträge, die der CDU bzw. Merz auf Basis von „Enthüllungen der SPD“ spalterisches Verhalten, Machtorientierung und Rücksichtslosigkeit unterstellten. Während der konkrete Hintergrund aufgrund vage formulierter Posttexte und einer gestörten Linkweiterleitung nicht zugeordnet werden konnte, spricht die zeitliche Nähe für einen Zusammenhang mit der für den Folgetag antizipierten Bundestagsdebatte zu Migration. Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die CDU hierbei eine mögliche Unterstützung der AfD in Kauf nehme, was als Tabubruch gilt.

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Screenshot eines Kampagnenbeitrags
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Screenshot eines Kampagnenbeitrags

Dafür sprechen weitere sechs Beiträge ab dem 31. Januar 2025, die sich ebenfalls als Reaktion auf diese Bundestagsdebatte interpretieren lassen. Diese kritisierten Merz‘ Migrationspolitik sowie seine Haltung zur AfD. Einzelne Inhalte warfen dem CDU-Kanzlerkandidaten vor diesem Hintergrund vor, Erpressung zu begehen oder die Gesellschaft zu spalten. Auch in den Artikelfälschungen der Kampagne fanden sich diese Themen wieder.

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Screenshots von Artikelfälschungen der Doppelgänger-Kampagne

Doppelgänger instrumentalisiert CORRECTIV-Artikel

Üblicherweise veröffentlicht die Doppelgänger-Kampagne neben Verlinkungen auf eigene Seitenfälschungen weitere Beiträge, die zu authentischen Medieninhalten führen. Während es sich dabei meist um klassische Medien handelt, fällt in diesem Datensatz eine Abweichung auf. Von 17 entsprechenden Posts nutzten 15 einen Artikel von CORRECTIV. Das ist einerseits aufgrund der quantitativen Häufung auffällig, andererseits aufgrund der Auswahl des Mediums: CORRECTIV Faktencheck hatte wiederholt zur Doppelgänger-Kampagne recherchiert und dadurch Störungen im Kampagnenablauf angestoßen. Die Instrumentalisierung des CORRECTIV-Artikels für eben jene Kampagne kann als bewusste Provokation oder versuchte Machtdemonstration gegenüber der Redaktion gelesen werden.

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Screenshots der Kampagnenbeiträge verdeutlichen den koordinierten Angriff auf Merz unter Instrumentalisierung eines CORRECTIV-Artikels

Umsetzungsfehler zeigt die manipulative Simulation

Immer wieder fallen bei Doppelgänger auch fehlerhafte Beiträge auf, die die künstliche Fassade vermeintlicher Meinungsäußerungen deutscher Bürger:innen stören und spürbar machen, dass es sich um einen koordinierten Manipulationsversuch handelt. Im aktuellen Datensatz fiel ein Beitrag mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Deutsch und Englisch auf – ein möglicher Hinweis auf eine gescheiterte automatisierte Übersetzung der Kampagnentexte:

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Screenshot eines fehlerhaften Kampagnenbeitrags

Methode

Recherche nach deutschsprachigen Postings mit strukturellem Doppelgänger-Muster und Keywords zu Friedrich Merz und CDU auf X via Meltwater. Händische Prüfung und Bereinigung des Datensatzes. Aufschlüsselung der verlinkten Zielseiten. Händische Narrativcodierung der Beiträge sowie quantitative Analyse.

Durch den thematischen Schwerpunkt und die zeitliche Überschneidung dieser Untersuchung enthält der Datensatz 12 Beiträge, die bereits in der zuvor veröffentlichten, inhaltlich offenen Doppelgänger-Recherche enthalten waren. Nicht alle erfassten Beiträge waren zum Veröffentlichungszeitpunkt noch online.

cemas.io

Russische Desinformation vor Bundestagswahl: Doppelgänger-Kampagne macht Stimmung gegen Parteien

Die russische Desinformationskampagne Doppelgänger war auch über den Jahreswechsel 2024/25 weiterhin aktiv. Für den Zeitraum vom 17. Dezember 2024 bis zum 14. Januar 2025 konnten auf X insgesamt 630 deutschsprachige Posts mit typischen Doppelgänger-Mustern dokumentiert werden. (Artikel vom 20.01.2025)

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