Mit welchen Taktiken Russland versucht, die Bundestagswahl zu beeinflussen
von Julia Smirnova
Im Vorfeld der Bundestagswahl dokumentierten CeMAS und andere Research-Organisationen mehrere Einflusskampagnen von russischen Akteuren. Russland versucht mit verdeckten Mitteln, Meinungen in Deutschland vor der Wahl zu beeinflussen. In diesem Text fassen wir die dokumentierten Taktiken zusammen und beantworten die wichtigsten Fragen.
Welche russische Einflusskampagnen wurden vor der Wahl aufgedeckt?
CeMAS dokumentierte in den Monaten und Wochen vor der Wahl mehrere Einflusskampagnen in sozialen Medien. Zum einen ist die Doppelgänger-Kampagne weiterhin aktiv. Auf X posteten nicht-authentische Accounts im Rahmen dieser Kampagne Links zu gefälschten Nachrichtenseiten, die optisch wie Websites von etablierten Medien (Der Spiegel oder Die Welt) aussehen. Außerdem wurden Links zu Websites gepostet, die wie deutsche Blogs oder kleine Medienseiten aussehen sollen (z.B. „Arbeitspause“), die jedoch als Teil der Einflusskampagne angelegt wurden. Schließlich posteten Doppelgänger-Accounts auf X auch Bilder und Videos sowie Links zu authentischen Artikeln echter Medien, wenn sie zu dem Zielen der Kampagne passten. Die Doppelgänger-Kampagne versuchte vor der Wahl, spaltende und anti-ukrainische Botschaften zu verbreiten, Ängste vor wirtschaftlichem Abstieg zu schüren sowie etablierte Parteien wie die Grünen, die CDU und die SPD zu diskreditieren. Insbesondere ab Ende Januar machte die Kampagne verstärkt Stimmung gegen die CDU und ihren Kanzlerkanditen Friedrich Merz. Die AfD wurde dagegen stets positiv erwähnt.
Zum anderen dokumentierte CeMAS eine weitere pro-russische Kampagne auf X. Hier wurden Videos und Bilder von nicht-authentischen Accounts, die zum Teil blaue X-Verifikationshäkchen hatten, gepostet. Die Kampagne postete anti-ukrainische Narrative, rief zu Verhandlungen mit Russland auf, instrumentalisierte Kriegsängste in Deutschland und unterstützte die Parteien AfD und BSW.
Auch die russische Organisation „Foundation to Battle Injustice“ versuchte vor der Wahl, die Stimmung in Deutschland mit Falschbehauptungen zu beeinflussen. Sie veröffentlichte Reports und Videos mit Falschbehauptungen über die Grünen, Friedrich Merz und Ursula von der Leyen sowie anti-ukrainischen Botschaften. Diese Organisation wurde von Jewgeni Prigoschin gegründet, der auch die Trollfabrik „Internet Research Agency“ gegründet hatte.
„Foundation to Battle Injustice“ steht in enger Verbindung zur Kampagne Storm-1516, die vor der Bundestagswahl ebenfalls aktiv versuchte, die Wahl zu beeinflussen, wie CeMAS und Alliance4Europe dokumentierten. Correctiv, NewsGuard und Gnida Project hatten in ihrer Recherche aufgedeckt, dass nach dem Bruch der Ampel-Koalition rund 100 Websites mit deutschen Namen als Teil dieser Kampagne angelegt wurden. Einige davon kamen zum Einsatz: Dort wurden Falschbehauptungen gepostet, um Politiker:innen der Grünen, der FDP oder der CDU zu diskreditieren, migrationsfeindliche Stimmungen zu verbreiten oder Kriegsängste mit der Falschbehauptung zu schüren, in Deutschland werde bald die Wehrpflicht eingeführt. Die Kampagne verwendete gefälschte Dokumente und KI-manipulierte Videos, die erfundene Augenzeug:innen und Whistleblower:innen zeigten. Inhalte von Storm-1516 und „Foundation to Battle Injustice“ wurden in sozialen Medien zum Teil von denselben Influencer:innen verbreitet.
Außerdem dokumentierten ISD und Recorded Future eine Einflusskampagne, die als Operation Overload bekannt ist. Als Teil dieser Kampagne wurden auf X Videos mit Logos etablierter Medien gepostet sowie Videos, die mit KI manipuliert wurden. Die Kampagne versuchte, Ängste vor Anschlägen am Wahltag zu schüren, Politiker:innen der Parteien die CDU, die Grünen und die Linke zu diskreditieren und migrationsfeindliche Stimmungen zu verstärken. Ein weiteres Ziel dieser Kampagne besteht offensichtlich darin, Faktenchecker:innen mit einer Flut von Falschbehauptungen zu überlasten - daher kommt der Name „Operation Overload“.
Woher wissen wir, dass es russische Kampagnen sind?
Die oben genannten Kampagnen sind bereits seit einer längeren Zeit und nicht nur in Deutschland aktiv. Aktivitäten dieser Kampagnen wurden mehrfach von Research-Organisationen und IT-Unternehmen dokumentiert und attribuiert. In einigen Fällen wie bei Storm-1516 ermöglichen technische Informationen über Websites wie IP-Adressen und Registrierungsdaten, sie zu pro-russischen Akteuren zu attribuieren. Im Fall der Doppelgänger-Kampagnen ist die Verbindung zu einer russischen PR-Firma Social Design Agency (SDA) mit internen Dokumenten dieser Firma belegt. Die Attribution von neuen Aktivitäten zu einer bestimmten Kampagne erfolgt entweder mit technischen Daten oder mit der Analyse von Verhaltensmustern – mehrere Kampagnen folgen sehr distinkten Verbreitungsmustern. Bei den oben beschriebenen Aktivitäten kann man mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dahinter Russland oder russische Firmen und Organisationen stehen.
Was bezweckt Russland damit?
Zum einen versucht Russland, bestimmte Parteien zu diskreditieren – vor dieser Bundestagswahl insbesondere die Grünen und die CDU, aber auch die SPD, die FDP und die Linke. Zum anderen werden Parteien unterstützt, die pro-russische Positionen teilen – die AfD und das BSW. Die Kampagnen versuchen außerdem, das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben, Ängste zu schüren und spaltende Narrative zu verbreiten.
Ist das alles Desinformation?
Bei den russischen Einflusskampagnen werden sowohl offensichtliche und widerlegbare Falschbehauptungen verbreitet als auch bestimmte politische Meinungen und Einschätzungen. Die Doppelgänger-Kampagnen verbreitet regelmäßig Links zu echten Nachrichtenartikeln – beispielsweise zu einer echten Correctiv-Recherche über Friedrich Merz. Dabei wird jedoch vorgetäuscht, dass diese Meinungen und Einschätzungen von echten Menschen in Deutschland gepostet worden seien – und nicht von nicht-authentischen Accounts, die aus Russland betrieben werden. Alle diese Kampagnen betreiben daher Informationsmanipulation mit der Absicht, Nutzer:innen in die Irre zu führen und Meinungen zu beeinflussen.
Finden russische Einflussversuche vor der Wahl nur im Internet statt?
Nein, Russland setzt auch andere Einflussmethoden ein. Vor der Bundestagswahl täuschten russische Propagandisten Vovan und Lexus dem CDU-Politiker Johann Wadephul vor, er würde mit einem ukrainischen Offiziellen sprechen. Das aufgezeichnete Gespräch wurde im russischen Fernsehen ausgestrahlt. Später wurde es in deutschen pro-russischen Telegram-Kanälen geteilt, um die CDU als Partei der „Kriegstreiber“ darzustellen.
Außerdem steht Russland im Verdacht, eine Sabotageaktion in Deutschland in Auftrag gegeben zu haben. Bei der Aktion wurden Autos mit Bauschaum in Auspuffröhren beschädigt, die Täter hinterließen auf Autos Aufkleber mit dem Slogan „sei grüner!“ und dem Gesicht von Robert Habeck, um so die Grünen zu diskreditieren.
Wie wirksam sind diese Einflusskampagnen?
Die Wirkung von den oben beschriebenen Online-Kampagnen auf den Wahlausgang dürfte beschränkt sein. Dennoch haben diese Kampagnen eine schädliche Wirkung, in dem sie den Informationsraum verschmutzen und potenzielle einen der Nutzer:innen in ihren bereits bestehenden pro-russischen Überzeugungen bestätigen. Sie werden noch schädlicher, wenn die Falschbehauptungen von deutschen Politiker:innen aufgegriffen werden. Vor der Bundestagswahl dokumentierten CeMAS und Alliance4Europe, wie ein AfD-Politiker und weitere AfD-Accounts eine Lüge gegen die Grünen und die Ukraine teilten, die ursprünglich von der „Foundation to Battle Injustice“ in die Welt gesetzt wurde.
Werden alle Kampagnen aufgedeckt?
Es ist einfacher, Kampagnen aufzudecken, die sehr distinkte Taktiken und Muster verwenden. In anderen Fällen kann man nur aus internen Dokumenten der Akteure erfahren, dass die bestimmte Memes oder andere Inhalte erstellt und verbreitet haben. Daher ist es vorstellbar, dass andere Einflusskampagnen momentan im Umlauf sind, die bis jetzt nicht aufgedeckt wurden.